Foto: Sebastian Riedel

 – Jesuit Volunteers

Mein Jahr in Indien

Sebastian Riedel (32) bereitet sich als Seminarist der Erzdiözese Salzburg darauf vor, Priester zu werden. Sein Weg führte ihn für ein Jahr als Jesuit Volunteer nach Südindien:

Ein Jahr anders leben und sich dabei für Gerechtig­keit einsetzen – diese beiden Säulen des Freiwilligenprogramms Jesuit Volunteers waren für mich die wesentliche Motivation, mich für einen Einsatz zu bewerben. Mittlerweile bin ich wieder in meiner Heimat Salzburg und blicke mit großer Dankbarkeit, aber auch ein wenig Sehnsucht zurück auf meine Zeit am Loyola College Vettavalam.

Diese im Jahr 2009 von den Jesuiten aus der Taufe gehobene Bildungseinrichtung liegt etwa 150 Kilometer südlich von Chennai, der Hauptstadt des südindischen Bundesstaates Tamil Nadu. Das College will die Bildung Ausgegrenzter und Marginalisierter forcieren, mehr als drei Viertel der 1.200 Studierenden sind Dalits, die so genannten Unberührbaren, und Angehörige der unteren Kasten. Es gibt Studiengänge in Betriebswirtschaftslehre, Informatik, Mathematik und Englischer Literatur.

Licht und Schatten

18 Stunden pro Woche unterrichtete ich Englisch und grundlegende EDV-Kenntnisse. Dass Studierende im Alter von 17-20 Jahren nicht immer ganz einfach sind, kann sich wohl jeder vorstellen. Es war für mich herausfordernd, die Disziplin in den bis zu 70 Studierende umfassenden Klassen zu wahren, geschweige denn die Studierenden zum aktiven Mittun zu animieren. Nicht nur einmal nagten Selbstzweifel an mir und manchmal war ich am Ende des Tages einfach nur frustriert. Dennoch merkte ich, dass ich allmählich ihr Vertrauen zu gewinnen schien. Besonders Sprach-Lernspiele, in denen ich meist Mädchen gegen Burschen gegeneinander antreten ließ, waren sehr beliebt. In einer Gesellschaft, in der Mädchen und Burschen in der Mensa räumlich getrennt speisen, im Klassenraum getrennt sitzen – die einen links, die anderen rechts – und von den Eltern arrangierte Ehen im ländlichen Raum eher die Regel denn Ausnahme sind, schien das spielerische „Duell der Geschlechter“ eine attraktive Art des Lernens zu sein. Der Umgang der Geschlechter miteinander, die Rolle der Frau in der indischen Gesellschaft, das Verständnis von Sexualität: all diese Aspekte waren in Indien fremd und neu für mich, überall zeigten sich sowohl Licht- als Schattenseiten.

Besonders beeindruckt haben mich indische Gastfreundschaft, Hilfsbereitschaft und die omnipräsente und spürbare Spiritualität der Menschen. Auf einer Busfahrt staunte ich, als der Fahrer kurz nach der Abfahrt stoppte, damit sein Ticketkontrolleur an einem Hindu-Schrein ein Öllämpchen entzünden, Räucherstäbchen schwingen und die zahlreichen Götter um sicheres Geleit bitten konnte.

Persönlicher Glaubensweg

Wieso mir gerade die Spiritualität in Indien so imponierte, hat wohl mit meinem persönlichen Werdegang zu tun. Nach einem Bachelorstudium der Öko-Energietechnik und anschließender Tätigkeit in einem Ingenieurbüro für Windenergie bin ich mit 26 Jahren ins Priesterseminar Salzburg eingetreten. Meine Berufung aus einem säkularen und „religiös unmusikalischen“ (Habermas) Umfeld heraus in die Nachfolge Jesu Christi ist für mich selbst nach wie vor etwas rätselhaft. Mit dem Einstieg ins Studium der Katholischen Theologie bin ich den Jesuiten begegnet und habe die ignatianische Spiritualität schätzen gelernt. So war mein Freiwilligeneinsatz auch ein Schritt zum näheren Kennenlernen des Jesuiten­ordens und ich erhoffte mir Hinweise auf die Frage, ob für mich die Lebensform eines Welt- oder Ordenspriesters am fruchtbarsten sein könnte.

Eintauchen in die Weltkirche

Gemeinschaft unter Priestern erlebte ich in Indien sehr intensiv. Ich konnte Projekte und Kommunitäten des Jesuiten­ordens, aber auch diözesane Einrichtungen besuchen und habe stets „offene Türen“ und Gleichgesinnte angetroffen. Kirche in Indien ist wie das Land selbst: bunt, plural, auch etwas kitschig, laut und lebendig. Für mich als angehenden Priester war es besonders schön und bereichernd „die eine katholische, apostolische Kirche“ auch mal anders zu erleben! Dies gilt auch für den Jesuiten­orden selbst. Er agiert weltweit, ist global präsent, und dennoch sind seine Mitglieder stark von der jeweiligen Umgebung und Kultur beeinflusst. Während meines Jahres in Indien gab es eine Reihe von Herausforderungen, aber das Positive überwiegt bei Weitem. Regelmäßig erreichen mich Nachrichten von meinen Studenten und Studentinnen, die sich erkundigen, wie es mir geht. Einen schöneren Beweis für den Erfolg meines Einsatzes könnte ich mir nicht wünschen.

Sebastian Riedel

Sich auf den Weg machen, in eine neue Kultur eintauchen, in einem Sozialprojekt der Jesuiten mitarbeiten, sich für mehr Gerechtig­keit in unserer Einen Welt einsetzen – all das können Sie für ein Jahr als Jesuit Volunteer. Unser internationaler Freiwilligendienst richtet sich an Erwachsene ab 18 Jahren.

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