Radioschulen sollen den Marginados helfen
Es gibt viele Gründe, weshalb Erwachsene in Guatemala nie lesen und schreiben gelernt haben. 1979 gründete der deutsche Jesuit Franz Graf von Tattenbach SJ die Radioschulen von IGER („Instituto Guatemalteco de Educación Radiofónica“). Das bedeutet auf Deutsch: „Guatemalas Radioschulen“ Der Auslöser zu dieser Idee war, dass er damals zwei Kulturen in Guatemala wahrnahm. Zum einen war da die Kultur der weitgehend von Europa und Nordamerika geprägten Oberschicht. Auf der anderen Seite war die Kultur der „Marginados“. Das Wort „Marginados“ bedeutet so viel wie „die Ausgeschlossenen“. Sie waren an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Sie sind in der Mehrheit indianischer Abstammung. Ihnen fehlt in der Regel Schulbildung. Sie sind ohne Stimme, ohne Rechte und Einkommen. Für sie gründete Franz Graf von Tattenbach SJ das Institut IGER.
IGER basiert auf drei Säulen
30 von 100 Männern und Frauen haben in Guatemala keine Schulbildung oder die Schule nicht zu Ende bringen können. Zum Teil mussten sie zu früh als Arbeitskraft zum Lebensunterhalt der Familie beitragen und deswegen die Schule verlassen. IGER bietet diesen Menschen Ausbildungsmöglichkeiten. Die Programme stehen auf drei Säulen: Lehrmaterial, Radiosendungen und Lerngruppen. IGER entwirft, druckt und verteilt die Lehrbücher. Täglich gibt es von Montag bis Freitag zu bestimmten Uhrzeiten die Radiosendungen „El Maestro en Casa“ („Der Lehrer zu Hause“), in denen der Stoff lebhaft erklärt wird. Am Wochenende bearbeiten die Schüler in selbstorganisierten Gruppen den Stoff gemeinsam. Oft hilft ihnen ein ehemaliger Schüler oder eine ehemalige Schülerin als Tutor. Das Projekt basiert stark auf ehrenamtlichen Engagement.
Es ist möglich: Vom Alphabet bis zum Diplom
Pro Jahr sind mittlerweile bis zu 40.000 Schülerinnen und Schüler in den Klassen von „IGER“ eingeschrieben. Die Abbrecherquote ist generell sehr gering. Anfangs konnten die Schüler in den Radioschulen die Grund- und Mittelschule nachholen. Heute können sie auch das Abitur machen und sogar Hochschuldiplome erlangen. Seit 2013 leitet Dr. Guillermina Herrara das Institut. Sie berichtet, dass die Teilnehmerzahlen in den Grundschulkursen zurückgehen. Das ist ein gutes Zeichen. Es zeigt nämlich, dass der Bildungsstand im Land steigt und die staatlichen Schulen den Bedarf besser abdecken. Die Radioschulen bieten deshalb mittlerweile neben den klassischen Schulkursen auch Aufklärungsprogramme zu Gesundheitspflege, Umgang mit Behörden, Buchhaltung für Kaffeebauern und vieles mehr an.