Fotos: Zambia-Malawi Jesuits

 – Corona-Hilfe weltweit

Tsunami der Armut

Die Corona-Pandemie stürzt die Weltgemeinschaft in eine beispiellose Krise: Nach UN-Schätzungen droht 1,2 Milliarden Menschen – 15,7% der Welt­be­völke­rung – ein Leben in extremer Armut. Der sambische Jesuit Michael J. Kelly SJ beschreibt die drastischen Konsenquenzen von COVID-19 und des Lockdowns für die Bürger vieler afrikanischer Länder. Betroffen sind vor allem jene, die ohnehin am Exis­tenz­mini­mum stehen, außerdem Mädchen und junge Frauen.

Die Weltgemeinschaft hat beispiellose Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung der Corona-Pandemie zu verhindern. Gleichzeitig räumen Gesundheitsexperten ein, dass das Infek­tionsvolumen, insbesondere in vielen Entwicklungsländern, weit über den derzeitigen offiziellen Schätzungen liegen könnte.

2,7 Milliarden Arbeitnehmer weltweit betroffen

Als Reaktion auf COVID-19 haben viele Länder Sperrmaßnahmen ergriffen: Notverordnungen, die es den Menschen verbieten, bestimmte Gebiete zu betreten oder zu verlassen. Vielerorts müssen Menschen zu Hause bleiben und dürfen nur aus bestimmten Gründen ihre Wohnungen verlassen, etwa um Lebensmittel zu besorgen oder zum Arzt zu gehen. Weltweit wurden Geschäfte, Bars, Sporteinrichtungen, Schulen und Kirchen geschlossen. Nach Angaben der UN-Behörde International Labour Organization (ILO) sind global fast 2,7 Milliarden Arbeitnehmer vom Lockdown betroffen. Das entspricht etwa 81 Prozent der Beschäftigten weltweit.

Schwerste Finanzkrise seit der „Großen Depression“

Die Corona-Pandemie als solche sowie die Abriegelung und andere Maßnahmen, die ergriffen werden, um ihre Ausbreitung einzudämmen, führen zu einem Schrumpfen der Weltwirtschaft. Noch im Januar 2020 lautete die Prognose des Internationalen Währungsfonds IWF, dass das globale Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um 3,3% wachsen werde. Im Gegensatz dazu stellte der IWF Mitte April fest, dass die Weltwirtschaft nicht nur nicht expandieren werde, sondern dass angesichts der globalen COVID-19-Pandemie die Weltwirtschaft im Jahr 2020 voraussichtlich um 3% schrumpfen werde.

Dies wäre das Ergebnis dessen, was der IWF den „Großen Lockdown“ nennt, der die Welt in ihre schwerste Finanzkrise seit der „Großen Depression“ der 1930er Jahre geführt hat. In diesem Zusammenhang warnt der IWF eindringlich davor, dass „bei einer solch tiefen Rezession leider immer ein enormer Einkommensverlust für Menschen am unteren Ende der Einkommensskala entsteht, so dass die Armut steigen und die Ungleichheit zunehmen kann“.

Worst Case Szenario: 419 Millionen neue Arme

Dieses Horrorszenario wird zur echten Herausforderung für die Vereinten Nationen, ihre Ziele der nachhaltigen Entwicklung (SDGs) zu verfolgen, nämlich die Armut zu beenden und Hungersnöte bis zum Jahr 2030 zu beseitigen. Die wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie erzeugen ein ganz neues Niveau der Armut, bringen die Welt wieder dorthin zurück, wo sie vor vielen Jahren war, und machen jahrzehntelangen Fortschritt zunichte. UN-Schätzungen zufolge wird die Zahl der in Armut lebenden Menschen seit dreißig Jahren weltweit wieder ansteigen. Und dass dieser Anstieg wird erheblich sein.

Ein Maß für Armut ist die internationale Armuts­grenze: jenes Einkommen, das eine Person benötigt, um ihren Mindestbedarf an Nahrung, Kleidung und Unterkunft zu decken. Im Oktober 2015 legte die Weltbank diesen Standard auf 1,90 Dollar pro Tag fest. Jeder, der von weniger als diesem Betrag lebt, gilt als extrem arm. 2018 waren das etwas mehr als 10% der Welt­be­völke­rung bzw. in absoluten Zahlen: 759 Millionen Menschen.

Die UN schätzen, dass ein durch COVID-19 verursachter Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens bzw. -Konsums um 5% weitere 85 Millionen in die Armut stürzen würde. Bei einem Rückgang von 10% wären es 180 Millionen mehr Arme. Ein Rückgang um 20%, das wahrscheinlichste Szenario, würde zusätzlich 419 Millionen arm machen.

In der Summe wären das weltweit insgesamt fast 1,2 Milliarden Arme: 15,7% der Welt­be­völke­rung, was in der Weltgeschichte nahezu beispiellos ist.

Eine Katastrophe für Subsahara-Afrika

Besonders düstere Aussichten für Subsahara-Afrika: Im Jahr 2018 lebten in diesem Teil der Welt schätzungsweise 1,075 Milliarden Menschen, von denen 447 Millionen (41,6% der Gesamtbevölkerung) unterhalb der international anerkannten Armuts­grenze von 1,90 Dollar pro Tag lebten. Bei einem durch COVID-19 verursachten Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens oder -Konsums um 20% würde die Zahl der Armen dort um mehr als 120 Millionen zunehmen. Das sind in absoluten Zahlen 567 Millionen, also 52,8% der Gesamtbevölkerung. Dieser Teil Afrikas würde den katastrophalen Zustand mit Südasien teilen, wobei auf diese beiden Regionen etwa 80% der gesamten Armut der Welt entfallen würden.

Es ist zu erwarten, dass die durch die COVID-19-Pandemie ausgelöste Rezession zu einem Anstieg der Säuglings- und Müttersterblichkeitsrate, zu anfälligeren Gesundheitssystemen, zu mehr Unter- und Fehlernährung führen wird. Wahrscheinlich werden auch weniger Kinder und Jugendliche Schulen besuchen und entsprechend Abschlüsse machen. Dieser Rückgang der Schulteilnahme und des Bildungsniveaus wird wohl Mädchen stärker betreffen als Jungs: Erfahrungen zeigen, dass Mädchen und junge Frauen nach einer Unterbrechung weniger häufiger in die Schule zurück­kehren.

Die alten und neuen Armen

Wer sind diese Millionen, die durch die tsunamiähnlichen Auswirkungen von COVID-19 in die Armut gestürzt werden? Es sind diejenigen, die Teil einer unregulierten informellen Wirtschaft sind, die schätzungsweise 55% der Wirtschaft in Subsahara-Afrika ausmacht: Gelegenheitsarbeiter, Straßenverkäufer von Rasierapparaten, Prepaid-Karten und gerösteten Maiskolben, Kleinhändler, Arbeiter in der Textilindustrie, Friseure, Kleinbusfahrer, Zeitungsverkäufer, Prostituierte.

Zu ihnen gehören Tausende, die ihre Arbeit aufgrund des Zu­sammen­bruchs der Tourismusindustrie verloren haben. Bauarbeiter, die aus Angst vor der Pandemie nicht mehr auf den Baustellen arbeiten dürfen. Beschäftigte der Luftfahrtindustrie, vom Piloten bis zum Gepäckprüfer, deren Dienste nicht mehr in Anspruch genommen werden. Dienstleister aus geschlossenen Banken, Büros und Geschäften, die sich plötzlich in der Welt der Arbeitslosen und Einkommenslosen wiederfinden. Es sind all jene, die in der Bergbau- oder Erdölbranche tätig sind, wo durch die vorübergehende Schließung von Produktionsstätten die Verkaufspreise der Rohstoffe in den Keller gingen. Es sind all jene aus kleinen und mittleren Unternehmen, die 80% der Arbeitsplätze in ganz Afrika schaffen. Alle Menschen, die, wie die Männer im Gleichnis der Arbeiter im Weinberg im Evangelium, den ganzen Tag untätig herumstehen, weil niemand sie einstellen will. Die schwachen und ausgegrenzten Mitglieder der Gesellschaft.

Man hat ihnen gesagt, sie sollen einen Abstand von mindestens zwei Metern zu anderen Personen einhalten, drinnen bleiben, zu Hause bleiben, nur nach draußen gehen, wenn es aus Ernährungs- oder Gesundheitsgründen notwendig ist. Doch die Wohnungen der meisten sind so klein und überfüllt, dass das empfohlene Social Distancing unmöglich ist. Die wenigsten von ihnen können von Hause aus arbeiten. Daher gehen viele lieber das Risiko ein, sich mit COVID-19 anzustecken, als sich dem noch größeren Risiko des Hungers auszusetzen.

Man hat ihnen gesagt, dass sie ihre Hände häufig mit Seife und sauberem Wasser waschen sollen, aber die meisten beziehen ihr Wasser aus einem öffentlichen Wasserhahn, was maximal ein- oder zweimal am Tag möglich ist. Und sie haben kein Geld für viel Seife für häufiges Händewaschen. Sie sind diejenigen, die arbeiten müssen, damit sie leben können.

Michael J. Kelly SJ

Corona-Hilfe weltweit

Länder:
weltweit

Partner:
Jesuitische Einrichtungen und Projektpartner weltweit

Kontext:
Bereitstellung von medizinischer Ausrüstung, Hygieneartikeln, Grundnahrungsmitteln und Unterrichtsmaterialien, Begleitung von besonders gefährdeten Fami­lien

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