– Indien

Bildung für die „Unberührbaren“

Seit ihrem Freiwilligendienst 2009/10 engagieren sich Mary und Turgay Erinc für Projekte im Süden Indiens und stehen in ständigem Kontakt mit den Jesuiten vor Ort. Zum Jahreswechsel haben die beiden über drei Wochen zehn Projektstandorte in Tamil Nadu und Andhra Pradesh besucht. Mary schildert ihre Eindrücke vor Ort – und wie Corona einige der Bauvorhaben verzögert.

Hauptgrund unserer Reise waren der geplante Bau eines über unser Spendenkonto finanzierten Mädcheninternats am Schulstandort Harur sowie der Bau eines kleinen Verwaltungsgebäudes in Tindivanam, Heimat der Volksgruppe der Irular. Highlight des Aufenthaltes war zweifelsohne die Gründung einer neuen Jesuitenprovinz im Bundesstaat Tamil Nadu, auf deren Gründungsversammlung am 28./29.12.2019 wir dabei sein durften. Die sich ursprünglich über den ganzen Bundesstaat erstreckende Jesuit Madurai Province wurde aufgrund ihrer Größe nun endgültig getrennt.

Das nördliche Territorium bildet jetzt die eigenständige Chennai-Provinz, die aus der Chennai Mission hervorgegangen ist. Father Jebamalai Irudayaraj SJ, bisher Mission Superior, wurde zum ersten Provinzial ernannt. Der südliche Landesteil führt den Namen Madurai Provinz weiter.

„Tribal Mission“ in 80 Dörfern

In Abstimmung mit der Chennai Provinz wurden die Spendenbeträge aus dem Jahr 2019 sowie Eingänge bis Februar 2020 ausschließlich für zwei investive Projekte verwendet, wovon das Mädcheninternat in Harur den Großteil der Gelder beansprucht hat. Seit 2014 widmen sich die Jesuiten der Chennai-Provinz dem Aufgabenschwerpunkt „Tribal Mission“, der Arbeit mit Angehörigen indigener Stämme am Rande der Gesellschaft.

Sie organisieren Aktionen und Aktivitäten in den Dörfern der Irular im Distrikt Villupuram. Da bereits mehrere Aktionen über unser Spendenkonto finanziert worden waren, hielten wir es für sinnvoll, der Bitte nach dem Bau eines kleinen Verwaltungsgebäudes in diesem Gebiet und auf dem jesuiteneigenen Gelände des Father Cyrac Children Home in Tindivanam nachzukommen. In diesem Kinderheim wohnen seit 2013 bis zu 60 Irular-Mädchen, die in den umliegenden öffentlichen Schulen und in einer Schwesternschule die Klassen 6 bis 12 besuchen.

Drei Jesuiten vor Ort betreuen die Irular in ungefähr 80 Dörfern der Umgebung. Dies umfasst beispielsweise neben Abendunterricht auch kulturelle Programme, Gesundheitsberatung, Rechtsberatung und Unter­stützung bei Behördengängen, beim Erwerb von Land etc. Das alte Gebäude, ein Verwaltungstrakt, der auch dem Empfang und gelegentlichen Beherbergung von Besuchern diente, war baufällig. Im maroden Gebälk hatten sich Schlangen eingenistet, nach deren Biss sich einer der jungen Jesuiten einer Krankenhausbehandlung unterziehen musste.

Warten auf den Schulstart

Der Schulstandort Harur, im nordwestlichen Dharmapuri Distrikt gelegen, mit der St. Anne´s Grundschule und der St. Mary´s Higher Secondary Schule bis zur 12. Klasse, wurde bereits seit vielen Jahren von der Diözese Dharmapuri betrieben. Der genannte Distrikt ist einer der meist unterentwickelten Distrikte des gesamten Bundesstaates Tamil Nadu. Hier leben fast ausschließlich Dalits – „Unberührbare“ innerhalb des indischen Kastensystems – und Angehörige indigener Stämme, die ebenso von der Mehrheitsgesellschaft stigmatisiert werden. Seit 2013 sind Jesuiten in der Schule eingesetzt. Anfang 2019 wurde ihnen sowohl der Schulstandort als auch die Kirchengemeinde von der Diözese zur Weiterentwicklung überlassen.

Vetrauensvorschuss für Jesuiten

Seit Übernahme der Schulleitung durch die Jesuiten hat sich die Zahl der Schülerinnen und Schüler an der Higher Secondary School von 389 auf 611 erhöht, 288 Mädchen und 323 Jungen. Der beachtliche Anstieg der Schülerzahlen ist unter anderem darauf zurück­zuführen, dass immer mehr Fami­lien auch ihre Töchter den Jesuiten anvertrauen, die eine unglaubliche Reputation für hervorragende Wissensvermittlung genießen, und darüber hinaus für Disziplin und Sicherheit an ihren Schulstandorten sorgen. Zwangsläufig wurde rasch der Ruf nach Erweiterung des bestehenden Mädcheninternats von lediglich 51 Wohnplätzen auf 100 Wohnplätze laut. Aufgrund des außerordentlichen Spendenbetrages auf unserem Konto konnte dieses investive Projekt realisiert werden. Auch hier waren wir bei Grundsteinlegung und Ziegelweihe am 24.12.2019 mit dabei.

Die Chennai-Provinz hat die zehn Toiletten im Mädcheninternat finanziert. Eigentlich wäre dieser Großbau bereits spätestens im Juni 2020 für das anstehende neue Schuljahr fertiggestellt worden. Aber der Corona-Virus hat den Bauaktivitäten durch den vollständigen Lockdown in ganz Indien ein jähes Ende bereitet. Seit Juli wurden in Tamil Nadu, ähnlich wie in anderen Bundesstaaten Indiens, der generelle Lockdown schrittweise gelockert und Bauarbeiten und Handel „auf kleiner Flamme“ innerhalb der einzelnen Distrikte erlaubt. Dies kam der Fertigstellung des Mädcheninternats im August 2020 zugute. Nun warten die 100 Internatsplätze darauf, von Schülerinnen belegt zu werden. Auch die Widmungsplatte ist hergestellt. Sie wird bei der offiziellen Einweihung des Hostels angebracht, sobald solch eine große Feierlichkeit und Zusammenkunft unter den geltenden Covid-Regelungen möglich sein wird.

Interimsmodus: Online-Lernen

Die Regierung in Tamil Nadu hatte einen Schulstart ab Mitte September in Aussicht gestellt, jedoch dem Schulträger (Jesuiten) völlige Verantwortung für ein „gesundes Schulleben“ auferlegt. Außerdem stand es im Ermessen der Eltern, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Zum aktuellen Zeitpunkt hat noch an keinem Schulstandort der Chennai-Provinz der Präsenzunterricht begonnen. Vereinzelt und soweit möglich, werden den Schülerinnen und Schülern Videos und Aufgaben über Handys zugesandt. An den Colleges findet seit 01.08.2020 durchgängig und ausschließlich online Unterricht statt. Die Jesuiten warten hoffnungsvoll auf einen baldmöglichst anlaufenden Schulbetrieb, zumal die Covid-Infek­tionszahlen in den ländlichen Regionen Tamil Nadus im Gegensatz zu den großstädtischen Zentren wie Chennai oder Madurai eher gering waren.

Auf die tatkräftige Hilfe der Jesuiten anlässlich der Corona Pandemie einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen. Wir wurden durch Berichte und viele Bilder etwa über die Lebensmittelverteilung an die Ärmsten in den Dörfern und Städten informiert. Die Aktion der Jesuiten „We for Migrants“ hat indienweit das wochenlange Elend der „gestrandeten“ Wanderarbeiter mit ihren Fami­lien insbesondere durch organisierte Essensausgaben und Schaffung von Unterkünften in kleinen Teilen gelindert.

Mary Erinc

Indiens Süden stärken

Wir machen mit unserem Engagement in Tamil Nadu weiter. Gerne würden wir künftig, soweit möglich, die Provinz Andhra Pradesh mit einbeziehen, wo wir bereits bei der Realisierung eines schönen Solarprojektes mittels diözesaner Mittel mitwirken konnten.

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